Oberösterreichische Nachrichten / 18.08.2017

Innovativ und bunt: Ausgezeichnete Keramik

 

 

Quelle: RZ Koblenz & Region vom Montag, 31. August 2009, Seite 29


Im Höhr-Grenzhausener Keramikmuseum wurde der Westerwaldpreis 2009 vergeben – Große Vielfalt der Exponate zeigt Weg vom Handwerk zur Kunst

 

Fliesen taugen für viele nur als Bodenbelag oder Glasuntersetzer. Als Dekor wirken sie entweder kühl oder – wenn sie bemalt oder bunt bedruckt sind – folkloristisch-kitschig. Die Juroren des Westerwaldpreises ehrten im Keramikmuseum nun eine Nachwuchskünstlerin, die Fassadenkacheln wie Kunstobjekte gestaltet.

HÖHR-GRENZHAUSEN.
Von wegen Töpferhandwerk: Wer die Einsendungen der 692 Bewerber zum Westerwaldpreis betrachtet, der wird in seiner altbackenen Vorstellung von Keramik eines Besseren belehrt. In dieser Kunstsparte geht es ganz schön bunt zu! Und das gilt nicht nur für reichlich vertretene Farbglasuren, sondern auch für die künstlerische Vielfalt der Exponate. Wenn es nach den gegenwärtigen Keramikkünstlern geht, haben Gegenstände für den Hausgebrauch jedenfalls weitgehend ausgedient; stattdessen dominieren tönerne Skulpturen, Installationen und Objekte.

 

Alle fünf Jahre wird der Westerwaldpreis vergeben. Die Ausschreibung erfolgt europaweit, dementsprechend groß ist der Ansturm. Kein leichtes Spiel für die international besetzte Fachjury, sich da auf einen Sieger festzulegen. Nach Monaten der Begutachtung hat sie es jetzt aber doch getan – und mit ihrem Förderpreis auch gleich eine recht ungewöhnliche Arbeit hervorgehoben.

 

 

Josseline Engeler ist mit 26 Jahren zugleich die jüngste Teilnehmerin des Wettbewerbs. Ihre Arbeit „Tile me!“ (englisch: Kachle mich, auf dem Foto in der Bildmitte) geht auf die Tradition gefliester Fassaden zurück, der die Diplomandin der Kieler Muthesius Kunsthochschule während eines Studienjahr in Portugal begegnete. Engeler zog kurzum in ein solches Haus ein und arbeitete fortan daran, den lückenhaften Fassadenschmuck zu erneuern. Damals bemalte sie einzelne Fliesen noch von Hand mit den Gesichtern der Bewohner.

 

Zurück in Deutschland führte die Studentin den keramischen Siebdruck an ihrer Hochschule ein und entwickelte die Technik bis zur Perfektion. Ihr von den Juroren hochgelobtes Stück versteht die junge Keramikerin nicht als museales Exponat, sondern als „Arbeitsprobe“. Im Siebdruckverfahren hat sie Ausschnitte aus Fotos aufgebracht, deren Motive nicht mehr zu erkennen sind und dadurch dem Betrachter viel Raum für Assoziationen lassen. Das Schwarz-Weiß-Dekor der Kacheln hat nichts mehr mit dem folkloristischen Vorbild aus Südeuropa zu tun. Es ist eine zeitgemäße Weiterentwicklung, die an Graffiti-Wandmalerei erinnert. Im Ausdruck flüchtig-modern, in der Technik traditionell, schafft Engeler ein zeitgenössisches Konzept, das für Fassaden wie fürs Museum taugt.

 

 

Derlei Innovation hat die Jury in der Sparte Design völlig vermisst – und hier deshalb gar keinen Preis vergeben. Nur wenige Stücke waren eingereicht worden, und denen mangle es an Qualität und Ausdruck, urteilten die Juroren. Das übrig gebliebene Preisgeld haben sie kurzerhand der Sparte Freie Arbeiten/Skulptur/Installation zugeschlagen und konnten im beliebtesten Bereich des Wettbewerbs somit gleich zwei Preise vergeben. Die Arbeiten der 118 Künstler reichten von minimalistisch bis ausladend, von symbolisch-konzeptionell bis verspielt-interaktiv. Am meisten überzeugt hat die Belgierin Marieke Pauwels mit ihrer raumgreifenden Inszenierung „Apollonia und Relics“, deren Zentrum an ein Tierskelett erinnert, sowie die Niederländerin Beatrijs van Rheeden mit einer fragilen Installation von aufgetürmten, spinnenbeinigen Spitzbogenkonstruktionen.

 

 

Mal ganz klassisch, aber auch äußerst innovativ ging es in der Sparte Salzbrand zu. Auch hier waren nur wenige Arbeiten eingereicht worden. Die aber überzeugten gleich doppelt, weshalb der Preis aufgeteilt wurde. Der Däne Aage Birck verwendete für sein markantes, an ein Gefäß erinnerndes Objekt alte Werkzeuge; die Schweizerin Nathalie Schnider-Lang schuf mit „Seitenwind“ eine Frau in expressivem Gestus, die die Jury als beste figurative Arbeit lobte. „Vibration und Oszillation“ heißen schließlich die objekthaften Schalen, mit denen die Britin Sara Moorhouse in der Sparte Gefäß/Form/Dekor siegte. Konzentrische Kreise in Komplementärfarben erzeugen auf ihnen optisch den Eindruck von Bewegung und lassen vielleicht sogar an eine rotierende Töpferscheibe denken. Mit klassischem Töpfern hat aber auch dieses Werk wenig zu tun. Nicole Mieding

 

500 Exponate von 223 Künstlern, die sich am Keramikwettbewerb Westerwaldpreis beteiligt haben, sind bis Ende Januar 2010 im Keramikmuseum Höhr-Grenzhausen (Westerwald) zu sehen.
Geöffnet Di bis So 10-17 Uhr, Eintritt 5 (ermäßigt 4/1) Euro
Info unter:  Keramikmuseum Westerwald

Quelle: RZ Koblenz & Region vom Montag, 31. August 2009, Seite 29